Zeitintensität
„Mama, nur noch das eine Level! Nur bis zum nächsten Speicherpunkt!“ – nostalgische Kindheitserinnerungen.
Wie bereits in [02 – Belohnungen und Strafen] erwähnt, hat nicht der Spieler, sondern der Entwickler zu entscheiden, wie lange das Spiel gespielt werden soll. Selbstverständlich ist das nicht so extrem gemeint, wie es formuliert ist. Natürlich kann der Spieler jederzeit abdrehen und keiner kann ihn zwingen weiterzuspielen. Jedoch können sich die Entscheidungen des GameDevelopers so gravierend auf den Spielfluss auswirken, dass es manche Spieler sogar in Sucht, Depressionen und sogar Suizid treiben kann.
Ein sehr wichtiges Beispiel dafür, ist „World of Warcraft“. Aus dessen Geschichte und Blizzards Umgang mit ihrem Produkt, sind meines Erachtens teilweise historisch relevant (Gaming-Geschichte).
Im Vergleich zum „gewalttätigen“ Counter-Strike, welches angeblich zu Amokläufen anstiftete, richtete WoW emotionalen Schaden an, indem es Karrieren und Ausbildungen verdrängte und Familien zerstörte*. Aber wieso geriet dieses Spiel so sehr außer Kontrolle?
Die wichtigsten Spiel-Design-Entscheidungen, die zu so einem Sucht-Potenzial führten:
- Endloses Gameplay
- Vielfalt an Möglichkeiten und Beschäftigungen
- Hoher Wiederspiel-Wert
- Anfangs schlecht designtes EP-System
- (evtl) die Vielfalt an sozialen Möglichkeiten.
Das endlose Gameplay zeichnete sich vorallem damit aus, dass es auf der einen Seite keinen wirklichen „Endboss“** gab und auf der anderen Seite, weil Blizzard seit dem Release nie aufgehört hat neue Patches rauszubringen.
Die Vielfalt an Möglichkeiten und Beschäftigungen sind selbsterklärend. Man wird nie mit etwas fertig und es wird absolut immer etwas geben, was man noch nicht erreicht hat. Es ist beinahe unmöglich alle Achievements zu erlangen.
Mit dem hohen Wiederspiel-Wert sind die Klassen/Rassen Kombinationen gemeint. Dadurch dass jede der 12 spielbaren Klassen komplett einzigartig ist und man pro Klasse noch 2-4 verschiedene „Skillungen“ zur Auswahl hat, wird man erst nach vielen Monaten wirklich jede Spielart erlebt haben. Dazu die gewaltige Menge an Inhalten, die man erst auf dem höchsten Level erleben kann.
Für manche wurde die Vielfalt an sozialen Möglichkeiten zum Verhängnis. Durch die extrem breite Bedienbarkeit und Individualisierung des Spielerlebnisses, die vielen Möglichkeiten mit anderen Spielern zu interagieren und die offene Welt, bekamen viele Spieler das Gefühl, sie könnten ihr reales Leben durch das virtuelle ersetzen. Man kann online Freunde treffen und soziale Triebe befriedigen. Man kann sein wer oder was man will. Man wird eher in Gemeinschaften akzeptiert, ohne gegen Vorurteile ankämpfen zu müssen. Manche fanden sogar die Liebe ihres Lebens unter den Sternen von Azeroth.
Schlussendlich konnte aber die Bearbeitung des EP-Systems einen großen Teil des Sucht-Potentials streichen. Anfangs funktionierte das EP-System normal und die Spieler waren auf sich allein gestellt um eine Spiel-Session zu beenden. Es war egal, ob man nur 1 LevelUp am Tag machte, oder 50. Dem waren keine Grenzen gesetzt und die Spieler drehten durch. Man hätte es einfach beschränken können, sodass man ab dem 2. Level Up nur noch halb so viel EP bekommt, pro Tag. Das hätte aber vermutlich einen Shitstorm ausgelöst. Niemand will von einem Spiel bemuttert werden.
Blizzards Reaktion war subtiler: Sie führten den „Erholungs-EP-Bonus“ ein.
Wenn der Charakter für 8 Stunden im Gasthaus abgestellt wird (natürlich auch offline), wird dieser „erholt“ und bekommt für die nächsten 5% des EP-Balkens, doppelte Erfahrungspunkte. Das geht so weiter bis man für die nächsten 150% des Levels (nach 10 Tagen) doppelte EP erhält.
Mit diesem Feature wurde es plötzlich attraktiver auch mal das Spiel zu beenden und sich anderen Dingen des Lebens widmen, um später mit einem Bonus weiterzumachen.
Dadurch konnte Blizzard auch die Spielerfahrung kalendarisch in die Länge ziehen (WoW hat ein Monats-Abo-System als Monetarisierung) und länger relevant bleiben.
Es ist wichtig vor Augen zu halten wie das Spiel gespielt werden soll.
Soll es ein kleines Spiel sein, welches man bei jeder kleinen Gelegenheit kurz aufdrehen kann?
Oder eines bei dem man erstmal eine halbe Stunde braucht, um erst in Schwung zu kommen?
Soll es in einem Durchgang durchgespielt sein, oder sich über Jahre hinwegziehen?
* Judge Judy 2007 (YouTube)
** Obwohl bei jeder Erweiterung so getan wurde, als würde man sich auf einen Kampf gegen den Endboss rüsten, hatten diese nie Eigenschaften eines „Endbosses“: Abschluss der Story = nur 1 finaler Kampf. Die Bosse von WoW hat man gefarmt für „Best in Slot“-Items. Auch „Endbosse“.
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